28. April 2015
Schwarzenbergscher Schwemmkanal: Das wiederentdeckte Technikwunder im Mühlviertel.
Bis heute gilt das Habsburgerreich der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie als geschichtliche Epoche, die eine besonders gefällige Architektur hervorgebracht hat. Ob in Wien, Budapest, Prag oder Triest – die k.u.k. Baumeister hinterließen eine Fülle repräsentativer Bauten im Zuckerbäckerstil, für die u. a. auch Unmengen an Böhmerwald-Holz als Bau- und Brennmaterial benötigt wurden. Um es kostengünstig zu befördern, machte man sich die natürlichen Wasserstraßen zunutze. Als genialer Link im System diente der Schwarzenbergsche Schwemmkanal – wer möchte, kann sich an Pfingsten seine Funktionsweise an historischen Schauplätzen ansehen.
Eigentlich trennen sie Welten: die Donau und die Moldau, die auf Tschechisch Vltava heißt. Denn aufgrund der Europäischen Wasserscheide wenden sich beide Flüsse unterschiedlichen Meeren zu. Um sie dennoch zu einem gemeinsamen Wasserweg zu vereinen, brüteten Tüftler jahrhundertelang an einer besonderen Idee: Einem Kanal, der beide Ströme miteiander verbinden sollte. Doch erst Mitte des 18. Jahrhunderts gelang der Durchbruch.
Ein gewisser Josef Rosenauer, der bei der Verwaltung der Fürstlich Schwarzenbergschen Herrschaft in Krumau (heute: Cesky Krumlov) als Forstingenieur beschäftigt war, ersann den Plan für einen Kanal, auf dem sich das Holz aus dem Böhmerwald bis nach Wien flößen lassen sollte. 1755 legte er den Entwurf einer Trasse vor, die von der Mündung des Zwettelbaches in die Große Mühl – an Haslach und dem Kloster Schlägl vorbei – bis unweit der böhmischen Orte Plöckenstein und Hirschbergen reichte. Als Ziel steuerte Rosenauer den Bach Lichtwasser an der Grenze zu Bayern an.
Begonnen wurde das Projekt 1789, im Jahr der Französischen Revolution. Schon zwölf Monate später war die Strecke bis zum Hefenkriegbach fertiggestellt. Bis 1793 wurde das Schachtsystem auf knapp 40 Kilometer ausgebaut, 27 Bäche speisten den Kanal – dann drang Ingenieur Rosenauer auf einen Baustopp. Zweifel hatten ihn gepackt: Ob auf det bestehenden Strecke ein zügiger Transport überhaupt möglich war? Doch die Praxis bestätigte seine Berechnungen. 1823 wurde erstmals zur Zeit der Schneeschmelze das geschlagene Holz über die gesamte Distanz geschwemmt. Weil in erster Linie Brennholz nachgefragt war, hatte Rosenauer angeregt, nur freie Scheite in den Kanal zu werfen und sie bis nach Neuhausen treiben zu lassen, wo sie vor der Mündung der Mühl in die Donau per Zangenrechen „eingefangen“ und anschließend auf Schiffe verladen wurden. Von dort gelangte das begehrte Gut auf direktem Weg in die Hauptstadt des Reiches.
Als, etwa ab 1850, Brennholz mehr und mehr durch Kohle abgelöst wurde, schwand auch die Nachfrage nach Scheidholz – während der Bedarf an langem Stammholz stieg. 1916 trieben die letzten Scheite auf der Wasserrinne, deren Streckenführung aufgrund der gewandelten Marktsituation angepasst worden war. Doch trotz des Umbaus einiger Passagen, war die neue Zeit nicht mehr aufzuhalten. Auch Langholz war nun nicht mehr gefragt, und so wurde das Holzschwemmen nach Wien irgendwann ganz eingestellt. Freilich: An kurzen Abschnitten auf tschechischer Seite blieb das Kanalbett weiterhin in Nutzung – vereinzelt sogar noch bis 1962.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs besann man sich auf beiden Seiten der Grenze wieder auf das technische Jahrhundertwerk, und der Schwarzenbergsche Schwemmkanal erlebte eine unverhoffte Renaissance. Prager Studenten und dem Rotary Club ist es zu danken, dass etliche Kanalkilometer wiederhergestellt werden konnten. Im tschechischen Chvalšiny wurde ihm inzwischen sogar ein eigenes Museum gewidmet, in dem sich der Kanal in einem Modell bestaunen lässt.
Unser Tipp: Verbinden Sie Ihren Pfingsturlaub im Böhmerwald doch mit dem Besuch einer Schauvorführung auf dem Schwarzenbergschen Schwemmkanal! Am 7. Juni ist Saisonauftakt der Schauschwemme. Dann heißt es zwischen dem tschechischen Glöckelberg und dem österreichischen Sonnenwald wieder „Gut Holz!“ Im Anschluss spielt eine Kapelle zum Tanz auf. Tags darauf, am Pfingstsonntag, 8. Juni, zieht die Schwemmer-Karawane zur Rotbachschleuse im Sonnenwald weiter. Zu erreichen ist diese Stelle über Ulrichsberg–Schöneben. Begleitend zur Vorführung werden die historischen Hintergründe erläurtert. Übrigens: Entlang dem Schwemmkanal führt auch eine Fahrradstrecke, die dank ihres geringen Gefälles ungetrübten Radlergenuss verspricht. Unser Unterkunftstipp für 2 Personen: Das Lipno-Hotel Kupec in Frymburk bietet 19 Doppelzimmer, die schlicht, aber modern eingerichet sind.
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