Reisetipps für den Urlaub in Bayern oder ein paar freie Tage zu zweit

14. September 2011

Wo das Regenwasser „schnattert“: Miltenberg.

Miltenberg, die Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises im bayerischen Regierungsbezirk Unterfranken, liegt zu Füßen der Mildenburg. Ob sie das auch ihren Gästen gegenüber tut? Alle nötigen Zutaten sind vorhanden: das älteste Gasthaus Deutschlands, eine exzellente Küche und eine überaus bewegte Geschichte.

Beginnen wir mit dem kulinarischen Highlight der Stadt: dem Hotel, das laut Eigenwerbung „Deutschlands ältestes Gasthaus“ ist – das des „Hotel zum Riesen“. Von „unzähligen gekrönten Häuptern“ unter seinen Gästen weiß die Haus-Chronik zu berichten. Das heutige Erscheinungsbild des Gebäudes geht auf das Jahr 1590 zurück. Der Riese war als Trinkstube und Herberge lange Zeit den Mächtigen und Reichen vorbehalten: Adeligen, Königen, Kurfürsten, geistlichen und weltlichen Herren. Eigentlich überfällig also, dass die „Fürstenherberge“ 2008 Platz 1 im „Gastronomiepreis Franken“ eroberte.

Die andere große – flüssige – Institution der Miltenberger Küche ist der Wein. Den Anbau der Weinreben haben wohl schon die Römer ins Mainviereck zwischen Spessart und Odenwald importiert. Hier schlosssen sie um 155 n. Chr. den „vorderen Limes“ an den Main an – als natürliche Grenze des Römischen Reiches zu Germanien. Noch heute zeugen die Relikte zweier römischer Kastelle von der einstigen Zugehörigkeit zum Imperium Romanum. Die kann der Fränkische Rotwein-Wanderweg freilich nicht für sich reklamieren; er wurde erst 1990 angelegt und führt seither von Großwallstadt entlang des Mains – durch Miltenberg – bis nach Bürgstadt. Zwischen 23. September und 3. Oktober dürfte er wieder stärker frequentiert sein. Dann lädt Miltenberg zum Weinherbst auf den Engelplatz.

Im Laufe seiner Geschichte ist Miltenberg durch viele Hände gegangen; seine Kurmainzer Seele allerdings hat es bis heute nicht abgestreift. Über Jahrhunderte – bis 1803 – gehörte die Stadt am Handelsweg zwischen Nürnberg und Frankfurt zum Mainzer Kurstaat, dann wurde sie badisch, bald hessisch, um schließlich 1810 an das Königreich Bayern zu fallen.

Ja, Miltenberg und seine Geschichte. Noch anno 1506 hat ein gewissser Johannes von Butzbach seine Geburtstadt in schwärmerischen Worten beschrieben – nicht ahnend, welche Tragödie den Ort mehr als ein Jahrhundert später heimsuchen sollte. Zwischen 1615 und 1629 brechen über die Stadt die vielleicht schlimmsten Hexenprozesse des gesamten Heiligen Römischen Reiches herein: 453 Personen werden angeklagt, über 69 das Todesurteil verhängt – in gleicher Zahl Frauen wie Männer. Was die Blutrichter in ihrem Wahn treibt, stützte sich fast immer auf Missgunst und Verleumdungen. War bei Wein und Getreide die Ernte ausgefallen, musste schnell ein Schuldiger her. Das Ventil des Hexereiverdachts kam da vielen gelegen, die gleich auch noch „alte Rechnungen“ begleichen wollten.

Obwohl dem Heimatchronisten Butzbach das dunkelste Kapitel in der Geschichte seiner Stadt erspart blieb – recht bewegt muss sein Leben offenbar dennoch gewesen sein. Als er 1516 erst 39-jährig stirbt, ist er Prior des Klosters Maria Laach und hinterlässt ein Werk, das er „Odeporicon“ betitelt hat: die erste deutsche Selbstbiografie.

Kein Miltenberger Stadtrundgang darf auf einen Abstecher zum „Schnatterloch“ am historischen Marktplatz verzichten. Wer die richtige Stelle sucht, geht zum Schnatterlochturm – einem Durchgang vom Marktplatz in den angrenzenden Wald. Das eigentliche Schnatterloch befindet sich genau unter diesem Durchgang und bezeichnet die Stelle, von der die Entwässerungsrinnne zum Marktplatz führt. Das Wort „Schnatter“ hat nämlich nichts zum Geschwätzigkeit zu tun, sondern leitet sich ab vom alten Begriff „Snade“ (= Grenze). Früher markierte der Regenwassergraben die Grenze einer Stadt. In Miltenberg führte die Entwässerungsrinne einst vom Schnatterloch bis zum Main.

Und noch eine Besonderheit: der Miltenberger Sandstein. Was man heute wohl in keinem Baumarkt mehr zu kaufen bekommt, galt über Jahrhunderte als besonders begehrter Baustoff. Selbst der Frankfurter Dom St. Bartholomäus aus dem 15. und 16. Jahrhundert wurde ganz überwiegend aus Miltenberger Sandstein errichtet.

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